Sonntag, Oktober 05, 2008

Mit Stimmungskanonen auf Spatzen

Sportlich gesehen war uns nie um den FCS bange, betrachtet man die vergangenen Spiele. Aber ein Blick in die bekannten Fanforen offenbarte ein viel größeres Leid, was sich nun anhand des Spiels 1. FC Saarbrücken gegen Alemannia Waldalgesheim einer näheren Betrachtung lohnt: die Stimmung.

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Während auf dem Platz das Spiel schon begann, zeigte sich auf den Rängen alles noch ein wenig lethargisch und betrübt, ob des ungewohnt kalten Wetters oder der Chancen für Waldalgesheim. Jedenfalls zeigte sich der Gast überraschend offensiv und brachte die blau-schwarze Abwehr das ein und andere Mal in Gefahr. Zu diesem Zeitpunkt war einzig und allein die Stimme Dieter Ferners das, was im Ludwigspark erschallte und dies kann zumindest für die Spieler kaum Gutes verheißen.

In der Folge versuchte nun der FCS diese Kritik in gelungene Angriffe umzusetzen. Nach ca. Minuten wäre dies dann auch fast Nazif Hajdarovic gelungen, der den Ball einnetzte. Tormusik im Park, Jubel in D- und E-Block und ein gellendes Pfeifkonzert im F-Block. Was war passiert? Der erhobene Arm des Schiedsrichterassistenten ließ dann keine Zweifel mehr offen und vom F-Block supporttechnisch angetrieben, pfiff nun der mit 2.700 Mann besetzte Ludwigspark: Abseits!
Auch ein zweiter Treffer löste, nur zur Verwunderung aller, die in der Vergangenheit die Stimmungsdiskussion verfolgten, Pfiffe im F-Block aus: wieder wurde eine Regel zuviel überschritten, der Torwart wurde in seinem Fünfmeterraum angegangen. In der Folge verstand die Mannschaft des FCS die Pfiffe seiner Fans und schraubte die Offensivbemühungen etwas zurück, um nicht noch mehr Bestürzung auszulösen.

Während der D-Block nun sich darauf konzentrierte, die waghalsigen und nicht immer nachvollziehbaren Ausflüge und Kopfballparaden des Enver Marina zu feiern, dachte sich der Gast wohl, er könnte aus der heimischen Verwirrung Kapital schlagen. Kurz vor Ende des ersten Durchgangs hätte die Alemannia aus Waldalgesheim noch in Führung gehen können, setzte den Ball aber über das FCS-Tor. Torlos blieb die erste Halbzeit, vereinzelte Pfeifkonzerte der Motivation für die eigene Mannschaft und wenige Anfeuerungsrufe ("SAARBRÜCKEN!") lieferten sich ein Rennen um die Gunst der Spieler, die Richtung Kabine trabten. Die saarbrückentypische Heimspielstimmung war zu diesem Zeitpunkt vollends umgesetzt.

Nach dem Wechsel hatten die Spieler wohl ihr eigenes concierto in der Kabine seitens Dieter Ferners erlebt und bemühten sich nun, endlich etwas zu bewegen. Nach einem hohen, eher planlos geschlagenen Ball fasste sich Nazif Hajdarovic allen Mut zusammen und hämmerte einen Seitfallzieher ins gegnerische Tor: 1:0!
Die Stimmung kippte: Jubel im D-Block, Gesangsjubel im E-Block, gediegener Applaus im F-Block.
Kaum drei Minuten später kam ein flacher Ball von der linken Seite an den Fuß von Nico Weißmann, der mit dem 2:0 die vorläufige Entscheidung brachte:
Wieder Jubel im D-Block, immernoch Dauergesangsjubel im E-Block, wohlwollender Applaus im F-Block.

Kurz darauf drohte die Stimmung wieder aus dem Ruder zu laufen. Nazif Hajdarovic brachte einen mustergültigen Kopfball im Gästetor unter und wieder hallte es nur Pfiffe nach dem zweiten dritten des Bosniers. Doch auch diesmal war es die Spielleitung, die den Ball im Toraus gesehen haben wollte. Pfiffe im Stadion, Frustration, Abstiegsgedanken.

Die heile Welt stellte Marcel Schug jedoch in der 64. Minute her, der einen perfekten Konter alleine vor dem gegnerischen Torhüter zum 3:0 abschloss:
Aufstiegsgedanken und Jubel im D-Block, Dauergesangsjubel im E-Block, Applaus und vereinzelt hüpfende Menschen im F-Block.

Waldal 006

Der nach langer Verletzungspause wiedergenesene Pascal Stelletta brachte dann mit seinem Kopfballtor zum 4:0 das ganze Stadion zum Kochen, man war endlich wieder wer im deutschen Fußball und die 2.700 schienen sich in diesen Momenten keinen Spott und keine Häme der vergangenen letzten Jahre mehr gefallen zu lassen. Hexenkessel Ludwigspark, auch in Liga 5!

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Das man längst wieder reif für die Bundesliga ist, bewies dann ein gewisser Michael Petry (nicht verwandt oder verschwägert mit Michael Petri), der als einziger von drei Saarbrückern nach einer Flanke von rechts die richtige Idee hatte: er nahm den Ball aus der Luft an, legte ihn zur Seite in den freien Raum ab und knallte ihn unhaltbar zum 5:0-Endstand in die untere Torecke. Ekstase im Ludwigspark, grenzenloser Jubel im D-Block, Dauergesangsjubel im E-Block, frenetischer Applaus im F-Block, wo nun die ersten Aufstiegsschals gesichtet wurden.

Die verbliebenen Zuschauer nahmen sich ihrer Mannschaft an und zelebrierten gemeinsam die Humba, die ja nach gelungenen Spielen (Neunkirchen) so zum Inventar des Ludwigsparks gehört, wie das Auspfeifen und beschimpfen nach verkorksten Auftritten (Elversberg II, Niederauerbach).

Link: Waldal 011



Fazit: Der Mikrokosmos FCS beweist auf seine einzigartige Art, dass man unter gutem Support eine Melange aus Pfiffen, Dauergesang, leisem Applaus und vereinzelt schallernden Schlachtrufen eines heißblütigen Trainers versteht, die den unerfahrenen Gegner (Aufsteiger aus der Verbandsliga, kein bekannter Mensch im Verein) derart verunsichert, dass alle Schranken aufbrechen. Wir sind auf dem besten Weg zur Nummer Eins, sportlich und stimmungstechnisch. Wenn kein zweites Niederauerbach kommt.

(Anmerkung in eigener Sache: Das FCSBlog macht eine Woche Urlaub, Kommentare werden später freigeschaltet.)

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