Es herrscht Winter im Saarland, die Menschen tragen wieder Mäntel oder tragen sie immernoch, je nachdem wie der modische Geschmack aussieht. Viele Menschen haben einen Schal um ihren Hals gebunden, manche sogar einen Fußballschal und bei einigen von ihnen ist es sogar ein FCS-Schal, der dann nicht mehr unbedingt den Hals wärmen soll, sondern einfach nur gut aussieht. Oder er kennzeichnet einen halt als FCS-Fan, was bei der Tabellenführung in der Oberliga vielleicht auch angebracht ist. Zumindest geht man heute nicht mit einem Schal zum Fußball, weil es keinen Fußball gibt.
Spielabsagen sind der graue Vorbote der endlos scheinenden Tristesse der Winterpause in Deutschland. Eine Zeit zum Vergessen, da Testspiele bei fröstelnden Temperaturen und Hallenturniere, die nur ansatzweise dem Fußball gerecht werden, den man kennt und schätzt. Man empfindet diese Zeit weder als Last, noch als Befreiung oder Verschnaufpause. Man sitzt da, plant und ergreift Maßnahmen, um sich in der Zwischenzeit bloß mit anderen Dingen als dem FCS zu beschäftigen und merkt, dass man am Ende doch an diesen Verein denkt, selbst wenn Winterpause oder Spielausfall herrscht. Und am Ende hat man dann damit die Zeit aufgebraucht, ungewohnt diesselben Dinge wie immer getan und fragt sich wieso schon wieder ein neuer Kalender gebraucht wird, der alte war ja noch frisch.
Irgendwann mittendrin wird einem dann auch der Sinn des Ganzen klar: man hat schon längst den Sinn für Realität verloren oder man ist längst Teil des FCS-Systems geworden (wobei manchmal das eine doch näher bei dem anderen liegt, als man denkt). Es ist Routine, wenn man den Saarbrücker Hauptbahnhof in Richtung Ludwigsberg verlässt, es ist ein Automatismus, seinen gewohnten Block anzuvisieren und in diesem dann seine gewohnten Gänge zu erledigen. Genauso verhält es sich mit Auswärtsfahrten, wobei hier die Individualität des Menschen wieder bewiesen wird, da die einen Wochen vor einem Spiel die Reise bis ins kleinste Detail planen, während andere in letzter Minute mal eben ins Auto hüpfen. Was zählt, ist das Ergebnis.
Was nun aber, wenn es mal das ergebnislose Wochenende gibt, wo schlimmstenfalls wieder ein Nachholspiel unter der Woche droht, dass man womöglich aufgrund schulischer/beruflicher Verpflichtungen verpasst? Oder was, wenn in der Winterpause wochenlang nur gedruckte Ergebnisse aus England im "Kicker" stehen, das saarländische Hallenmasters einziger Zeitvertreib bleibt, wo der FCS sowieso selten bis nie anzutreffen ist?
Dann wird man höchstens um die eine lapidare Erkenntnis schlauer, nämlich das Fußball mehr als der Fußball an sich ist. Denn der Fußball selbst ist zwar greifbar, auf dem Platz, aber allein unsere Automatismen, die Leute, mit denen wir die 90 Minuten auf den Rängen verbringen oder mit denen wir nach dem Spiel noch einmal 90 Minuten in der Kneipe diskutieren, gehen schon über diesen Sport hinaus. Was uns am Sport fehlt, ist höchstens die Ästhetik, was gerade in schlechten FCS-Jahren eine geradezu verlogene und peinliche Ausrede ist, den Fußball zu vermissen. Aber wenn wir sagen, dass wir den Fußball vermissen, so meinen wir das Drumherum, die Atmosphäre, die Leute, die Meute, je nachdem wie man es nennen will. Das ist es, was uns auch an spielfreien Wochenenden den Fußball nicht vergessen lässt.
Und genau deshalb (und nur marginal aufgrund der Kälte) vergessen wir im Winter auch nie unseren FCS-Schal.
Mangelnde Impulskontrolle
vor 4 Stunden
2 Kommentare:
Sehr, sehr schöner Artikel über die Faszination Fußball! Der Fußball ist sicherlich ein sinnstiftendes und einendes Phänomen, ähnlich wohl wie bei vielen die eigene Familie. Das kommt sehr schön durch.
Weiter so!
Fränk
Seit ner Woche sieht man an den Hälsen der Schüler wirklich viele Fußball-Schals - zu meiner Freude sind sogar viele davon blau-schwarz!
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