Samstag, Juni 17, 2006

WM-Einwurf: Public Viewing

Ich habe, als die Abstimmung über den FCS-Blog endete, versprochen, auf jeden Fall mindestens einen Blogeintrag zur Weltmeisterschaft in Deutschland zu schreiben. Ich sehe es mal als kleine Pause zu unseren Flops an, die einen wirklich beanspruchen, nicht zuletzt weil sie so manche alte Wunde wieder aufreißen.

Heute interessiert mich mal ein Phänomän der WM, welches auch das Saarland betrifft. Nach dem Zuschlag der FIFA mussten wir schließlich feststellen, dass die WM:
-komplett im "Reich" ausgetragen wird
-nicht einmal Japan die Zusage einhielt, das WM-Lager in Saarbrücken zu bestreiten
-nur die Italiener in Homburg für ein Spiel übernachten werden (das graust einen)

Um dem armen kleinen Saarland doch noch ein wenig WM-Flair einzuhauchen besuchte schon der goldene WM-Pokal den Tblisser Platz. Doch das ist noch nicht alles. Das Zauberwort heißt:

Public Viewing



Dieser seltsame Anglizismus bezeichnet das, was seit Jahren überall praktiziert wird: Auf einem öffentlichen Platz wird eine Leinwand aufgestellt und viele Leuten gucken das Spiel. Wobei das Wort "gucken" hier eigentlich falsch ist. Viel mehr nehmen die Zuschauer aktiv am Geschehen teil, indem sie ihre Fahne schwenken, mitsingen, Rauchbomben zünden. Eben das, was sie gemacht hätten, wenn die Kartenverteilung mit ihnen großzügiger gewesen wäre.

Ich habe mir die 1. HZ des Eröffnungsspiels Deutschland gegen Costa Rica am Großen Markt bei solch einem "Public Viewing" angesehen. Dies fand in einer gesponsorten "Arena" statt, die man erst nach erfolgreicher Kontrolle durch das Ordungspersonal betreten durfte (siehe auch 2. Spiel). Man durfte schließlich nichts Ess- oder Trinkbares in die Arena schmuggeln, die Sponsoren sollen ja auch noch verdienen dürfen. Wenn es dazu kam, Leute aus der Arena zu lassen, setzte üblicherweise der gesunde Menschenverstand der Ordner aus. Bei praller Sonne bot SR3 ein Showprogramm mit Liveband (Name ist mir entfallen, was wohl auch nicht tragisch ist) und einer Tanzgarde. Bei mir herrschte sowieso schon genug Skepsis, also war mir das alles recht egal. Bis ich dann merkte, dass während des Spiels hinter mir einer Horde saarländischer FC-Bayern-Fans stand.

In der Hitze von Saarlouis begann das erste Spiel der WM und bei jeder Einblendung von von Kahn oder Lehmann mussten die Bayernfans ihre Meinung über das Torwartduell kund tun. Aufgrund der nervig hohen Anzahl dieser Anti-Lehmanngesänge muss man die Frage stellen, ob das ZDF nicht vielleicht das Spiel hätte übertragen sollen. Das Spiel hatte in der Zwischenzeit seinen ersten (wunderschönen) Treffer durch Philipp Lahm, was die Bayernfans erst einmal zum Ausrasten brachte. Für dieses Spiel hielt wirklich für viele die Illusion an, man wäre wirklich in einem Stadion(vielleicht wurden auch gefährliche Wurfgeschosse konfisziert, damit niemand die Spieler trifft!?). Dabei feuerte man grade einmal eine Leinwand an.

Der Ausgleich durch Paolo Wanchope veranlasste viele Fans (auch die Bayernleute in meiner Nähe) zu allgemein bekannten "Hu-Hu-Hu..."-Rufen. Schon bei der Nationalhymne Costa Ricas gab es Pfiffe. War das etwa auch Zusatzeffekt der Stadionatmosphäre? Weitere Rufe wie "Keiner ist so schwarz wie Asamoah" und die unsägliche Hitze waren für mich letztendlich der Grund diese "Public-Viewing-Arena(prolliges Gehabe inkl.)" zu verlassen. Bei allem Patriotismus zur einer WM, das fand ich doch recht gehirnamputiert. Die 2. HZ sah ich mir in etwas ruhigerer Umgebung an.

Mein 2. Spiel in jener Arena im Herzen von Saarlouis war die Begegnung England gegen Trinidad & Tobago. Bei diesem Spiel waren deutlich weniger Leute gekommen und ich machte mich mit meinem T&T-Balkenschal auf den Weg. Dieser wurde vom Ordnungspersonal kritisch begutachtet, was zur Frage führte: "Was fürn Schal issen das?"

Nachdem die Verfassungstreue meiner Fan-Utensilien bescheinigt war, ging ich weiter, um mich später mit dem anglophilen Wahlfreiburger aus "Die badische Woche II: Mondo Bizarro" zu treffen. Dieses Spiel in einer gediegenen Atmosphäre bereitete mir lange Zeit mehr Freude als den anwesenden Engländern und meinem Kollegen, jedoch blieb das Happy End für die "Soca Warriors" aus. Dieses Spiel in Saarlouis konnte gefallen, auch wenn es ruhiger zuging, warscheinlich auch, weil weder schlechte Bands oder nervende Bayernsfans sich hervortun mussten.

Abschließend muss ich sagen, dass mir die Möglichkeit des Public Viewings an sich gut gefällt, die Umsetzung jedoch weniger. Wie die Welt zu Gast beim Public Viewing in SLS bei Deutschlandspielen aussähe, möchte ich nicht wissen.

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