Im Vorfeld habe ich schon
viel über dieses Spiel geschrieben. Eigentlich ging es um die
Vermarktung des Spiels, meine persönlichen Erwartungen und die Pressereaktionen zum Spiel. Doch erst jetzt lässt sich das Ereignis an sich beschreiben. Und das erfolgt im FCSBlog mit einem kleinen Erlebnisbericht:
Schon am Bahnhof umgab mich eine sonderbare Atmosphäre: Wenn man im Ligaalltag daran gewöhnt ist, dass jedes Wochenende dieselben 5-10 Gesichter mit blau-schwarzen Schals am Bahngleis warten, ist der Anblick von ca. 30 rot-weiss gekleideten Bayernfans etwas gewöhnungsbedürftig. Jedoch bestätigte sich schon hier das erste Vorurteil, da es sich vorwiegend um Eltern mit ihren Kindern und Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren handelte. Wenn die "großen Bayern" kommen, herrscht sogar Dillinger Bahnhof Hochbetrieb. Ich wurde von einem
alten Bekannten, Helge, und dessen Schwester begleitet. Im Zug selbst fand man keinen Sitzplatz mehr. Man fühlte sich eingeengt wie die Ölsardine in der Büchse. Am Saarbrücker Hauptbahnhof angekommen, strömten sofort die Massen aus dem engen Transportmittel ins Freie. Die Bewegungsfreiheit stieg wieder an.
Langsam strömte die Menschenmenge Richtung Ludwigspark. Auch eine erstaunlich hohe Zahl von Leuten mit FCS-Utensilien bahnte sich den Weg zum Stadion. Leute, die man wohl seit dem Abstieg aus der 2. Liga vergeblich im Stadion sucht.
Nun waren wir am Eingang des E-Blocks angekommen. Nach ungefähr zehnminütiger Wartezeit passierten wir den Eingang, ohne das unsere Karten auf ihre Gültigkeit kontrolliert wurden. Bei nur drei Kartenabreissern dürfte das vielen so ergangen sein. Nach einer knappen Abtastung durch den Ordnungsdienst war endlich das Innere des Stadions erreicht.
Wir positionierten uns zwischen im unteren Teil des Blocks, wo wir ungefähr zwischen D-Block und dem Standort der Virage Est standen. So langsam begann auch das Geschehen auf dem Rasen: Die beiden Torhüter Marina und Birkenbach begannen ihr Aufwärmprogramm während Stadionsprecher Frank Falkenauer den wohl besten FCS-Fansong, "Wir kommen wieder" von Leergut, durch das Stadionradio dröhnte. Diesen Pluspunkt verspielte er jedoch kurz darauf, als er zur FC Bayern Hymne "Stern des Südens" griff. Kurz darauf schien die Situation gerettet: Die Mannschaft des FCS betrat den Rasen, was Falkenauer natürlich sofort kommentieren musste. Und noch während die Mannschaft am Einlaufen war und sich für den Applaus bedankte, geschah, was abzusehen war: Falkenauer drückte auf die Playtaste und der Bayernsong schallte lautstark durch das Stadion. Damit hatte das Stadionradio zum ersten Mal in diesem Spiel seinen altbekannten Ruf bestätigt.
Dass es aber noch ein anderes Rahmenprogramm neben der Musik gab, zeigte das Interview von Frank Falkenauer mit Bayern-Manager Uli Hoeneß. Neben dem vergeblichen Versuch neue Erkenntnisse über die Transferpolitik des Rekordmeisters zu gewinnen, stellte Falkenauer dem Anlass gemäß auch die Frage, was Hoeneß denn mit dem Saarland verbinde. Diesem fiel außer der guten saarländischen Küche nichts ein. Falkenauer griff das Thema geschickt auf und fragte direkt nach der kulinarischen Meisterleistung des Saarlandes:
"Haben sie schonmal Lyoner gess...ähm...gegessen?"Natürlich kannte der Uli den berühmten Lyoner. Dies blieb dann auch die gewichtigste Kenntnis aus diesem Interview.
Es folgten Interviews mit Felix Magath und Egon Schmidt, doch der eigentliche Höhepunkt des Vorprogramms war der O-Ton vom legendären 6:1-Erfolg gegen Bayern München. Die Reportage von Karl-Heinz Roland gehört zum Standardrepertoire eines jeden Rückblicks auf die FCS-Historie und zeugt von der vorhandenen Selbstironie im Fanlager des FCS: Jeder, egal ob jung oder alt, schwärmt vom Kantersieg aus dem Jahr 1977, selbst wenn es sonst nur noch wenig zu schwärmen gibt. Dabei erreicht kein anderes Ereignis, weder der Europapokalsieg in Mailand, noch die zwei Vizemeisterschaften, je die Popularität der vier Stegmeyer-Tore.
Nach der Aufstellung des FCS begann so langsam die Choreografie des D-Blocks. An Material wurde augenscheinlich nicht gespart, jedoch hatte der obere Teil des Blocks sichtbare Probleme mit der Durchführung, was eventuell auf die lange Abstinenz einiger Zuschauer während des Ligaalltags zurückzuführen ist.
Das Spiel begann endlich. Die Bayern ließen dem FCS in der Anfangsphase keine Chance und führten schon nach einer Viertelstunde mit 3:0. Der D-Block versuchte sich trotz der schlechten Leistung der Mannschaft darin, die Stimmung zu heben. Nach ein paar Anläufen hatte auch der "FCS"-Wechselgesang mit dem F-Block eine sehr beachtliche Lautstärke erreicht. Wo normalerweise die Virage Est steht, passierte eine lange Zeit nichts, bis einige Leute das bekannte "Vorstand raus!"-Transparent hochhielten und ihren Unmut in Form von Sprechchören äußerten. Der Protest wurde von der stillen Masse regelrecht geschluckt. Nur wenige schienen das Anliegen der Protestler nachzuvollziehen. Doch es sollte noch lange nicht der letzte Protest an diesem Abend werden.
Da ich mich dem Gedränge vor der Rostwurstbude in der Halbzeitpause entziehen wollte, ging ich schon 5 Minuten vorher den Aufgang hinauf. Selbst zu einem dürftigen Fußballspiel gehört noch eine Rostwurst. Diese war zusammen mit zwei Getränken für die Mitfahrer relativ schnell organisiert. Doch jetzt trat das eigentliche Chaos ein: Der Weg nach unten war versperrt. Die Idee, dass man während der Pause endlich mal ein paar Worte mit anderen wechseln kann ohne auf den Platz zu achten, ist eine feine Sache. Die Aufgänge sind dafür jedenfalls nicht der richtige Ort. Sei es die Arroganz, seinen Körper nicht ein paar Meter weiter nach unten zu bewegen oder die bockige Sturheit, seinen Platz mit der "besten Sicht" nicht aufgeben zu wollen gewesen: Der gesunde Menschenverstand wurde am Eingang oder irgendwo schon vorher abgegeben. Dass der Ordnungsdienst nicht mehr Herr der Lage war, erwähne ich nur am Rande, da es an diesem Abend Gott sei Dank nichts passierte, was eine Massenpanik verursachte und zu Verletzen führte.
Die Vorraussetzungen dafür waren durch die blockierten Aufgänge auf jeden Fall vorhanden.Der Trend, der sich schon in der 1. Halbzeit abzeichnete, wurde nun bestätigt: Das Spiel verflachte. Vielmehr rückte nun das Geschehen auf den Rängen in den Fokus. Sowohl im E2-, als auch im D1-Block wurde Pyrotechnik gezündet. Während diese Aktionen im E2 meist mit lautstarken "Vorstand raus!"-Rufe begleitet wurde, diente im D-Block dieses Feuerwerk wohl eher der Selbstinszinierung. Man mag Pyrotechnik beim Fußball gegenüberstehen wie man will, aber wenn es immer noch Leute gibt, die nicht kontrolliert zündeln können und andere Menschen in Gefahr bringen, wird es auch nie Akzeptanz seitens der Verbände für dieses Thema geben.
Kontrolliertes Zünden heißt nicht, dass man Bengalos auf den Platz werfen darf, wenn gerade niemand in der Nähe steht.Mitte der 2. Halbzeit kam der große Auftritt des Mustapha Hadji: er zwirbelte einen Freistoß durch die Mauer an den rechten Innenpfosten und erzielte damit den Ehrentreffer für die Hausherren. Trotz der Tatsache, dass man wohl wenig Chancen auf einen Sieg hatte, wurde dieses Tor gefeiert, als gäbe es keinen Morgen.
Auch auf den Stehrängen ging das muntere Treiben weiter: Genau einmal wurde auch im D-Block das Thema "Vorstand raus!" aufgegriffen. Dies geschah als Wechselgesang mit dem E-Block. So laut und kraftvoll er auch war, direkt wehrten sich das Trommelteam des D-Blocks und einige Leute im Fanblock, indem sie sofort auf einen anderen Rhytmus/Gesang wechselten. Es wirkte auf jeden Fall sehr seltsam, da in der Liga selten an Gesängen gegen den Vorstand gespart wurde.
Dieser Mittwochabend zeigte erneut das Bild einer uneinigen Fanszene.Nach zwei weiteren Toren für den FC Bayern war das Spiel zuende. Ich machte mich mit Helge und seiner Schwester auf, diesen Ort zu verlassen.
Und so ging ein einmaliger Tag zuende, welcher seine guten, wie schlechten Seiten hatte. Jedenfalls sehne ich mich wieder dem Ligaalltag entgegen und danke dafür, dass auch ein Michael Henke die Bayern nur einmal zum 50. Geburtstag des Saarlandes kommen lassen kann.
Auf ein weiteres organisatorisches Chaos verzichte ich liebend gerne.