Vor kurzem habe ich hier laut die Frage gedacht, warum es im Umfeld des 1. FC Saarbrücken nur ein Fanzine, "Der Rucksackfranzose"(DRF), gibt. Eigentlich ist die Frage und der Versuch, eine Antwort zu finden, derart interessant, dass ich ihr an diesem Spielfreie Wochenende einen ganzen Artikel in diesem Blog widme. Immerhin stehen viele Fußball-Blogs in der Tradition der Druckerzeugnisse, die langsam, aber stetig aus den Stadien verschwinden.
Früher gab es vor fast jedem Stadion in Deutschland diese seltsamen Typen, die jeden Besucher anquatschten und dabei irgendwelche Heftchen im DIN A5-Format hochhielten. Wenn man sich dann einmal gegen den Kauf des Stadionheftes, das sowieso zur Hälfte aus Werbeanzeigen besteht, entschied und tatsächlich eines dieser "Fanzines" erwarb, wurde einem meist klar, welche Schätze die Fankurve doch bietet. Neben unorthodoxen Spielberichten, meinungsbildenden Betrachtungen, bissigen Satiren und unkonventionellen Interviews wurde einem doch die Seele des Fandaseins in Worten geboten. Doch genau diese verrückten Typen, die ihre Freizeit opfern, um regelmäßig ihre Gedanken in das gesamte Stadion zu tragen, verschwinden.
In Saarbrücken wird das vor allem bei Betrachtung der jüngsten Vergangenheit deutlich. Zu Spitzenzeiten der letzten beiden Jahre im Profifußball schaffte man es auf zwei Fanzines, von denen das "FCschweinegeil" nach der Erstausgabe bereits wieder aus dem Stadion verschwand, ohne die Mehrheit der Käufer überzeugen zu können. Auf der offiziellen Webseite des Magazins kündigte man nach mehr als einjähriger Pause zuletzt eine Rückkehr in digitaler Form an, wobei man sich auch auf diesem Terrain erst beweisen muss. Daneben existiert bis heute das Fanzine der Boys-SB, das DRF, welches es bis heute auf zwei Ausgaben gebracht hat und eher die Ultrà-Szene mit Spielberichten anspricht. Darüber hinaus gab es zu Zweitliga-Zeiten noch das "BAM-Heimspiel", welches als reines Infoblatt kostenlos verteilt wurde, aber mit vielseitigen Inhalten und Qualität überzeugen konnten. Leider verschwand es zusammen mit dem Bündnis Aktiver Molschder (BAM) und ist heute nur noch eine rosige Erinnerung. Seit der Saison 05/06 gibt es auch den DRF-Ableger namens "DRF-Kurvenlage", welcher die Besucher der Virage Est zu jedem Heimspiel mit den wichtigsten Informationen versorgt.
Unter dem Strich hat Saarbrücken also ein unregelmäßig erscheinendes Ultrà-Fanzine und ein Infoblatt. Wie erklärt sich dieses langsame Aussterben dieser Gattung, der Fanzines?
Wirft man einen Blick auf die derzeitige überregionale Situation, so ist Fußball-Literatur sehr gefragt und spätestens seit 2006 auch salonfähig geworden, was leider auch zu vielen schlechten Veröffentlichungen geführt hat. Dennoch gibt es mit der "11 Freunde" ein allseits bekanntes Magazin, dass sich ausschließlich mit Fußball-Kultur beschäftigt und auch die entsprechenden Autoren wie Arnd Zeigler oder Christoph Biermann, die zur literarischen Aufarbeitung des Fußballs beitragen. Doch wieso verschwinden die Fanzines?
Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst einmal von den Belastungen und Risiken des Lebens als Fanzineverleger sprechen. Ein solches Hobby kostet, wie so vieles im Leben, besonders viel Zeit und Nerven. Hinzu kommt die Ungewissheit, ob man in der entscheidenden Phase, dem Verkauf des Heftes, die Kosten für den Druck wieder einnimmt. Vor allem Fanzines außerhalb des Ultrà-Spektrums müssen mit dieser Ungewissheit leben, da diese sich nicht auf einen festen Kreis von Käufern und Unterstützern verlassen können und hier die Qualität über den Fortbestand eines Heftes entscheiden kann.
Eine weitere Ursache für den Schwund an Fanzines liegt im Wandel der Medien und den damit verbundenen Veränderungen im Anspruch der potenziellen Käufer. Mit der Verbreitung des Internets und den damit aufkommenden Online-Fanzines und Weblogs wurden die traditionellen Fanzine-Inhalte einer größeren Masse zugänglich. Jeder konnte innerhalb weniger Sekunden zum "Verleger" werden. Die Qualität steigerte sich im Laufe der Zeit und ersetzte somit für viele den Kauf eines Fanzines im Stadion. Genau aus diesem Grund erwies sich auch die Printausgabe von "Stadionwelt" als unwirtschaftlich und wurde eingestellt.
Außerdem sind bei der breiten Masse der Fußballinteressierten eher Bilder vom Geschehen in der Kurve gefragt, als eine kritische Auseinandersetzung mit der Vereinspolitik oder eine literarische Aufarbeitung der letzten Auswärtsfahrt. Während früher Fanzines die exklusivsten Bilder von Choreographien und Fanblöcken boten, gibt es heute hunderte von Webseiten, die sich allein diesem Thema verschrieben haben. Mit der Entdeckung von Videoportalen für den Fußball ist außerdem die Nachfrage an bewegten Bildern aus der Kurve so hoch wie nie, auch wenn diese meist qualitativ eher mäßig bis schlecht ausfallen. Beliebter als lange Texte sind Videos allemal.
Somit ist das gedruckte Fanzine zur Seltenheit im Stadion geworden und wird nur noch von Fußball-Romantikern geschätzt und gelesen. Die breite Masse ist bereits auf den Zug der Weblogs und Podcasts aufgesprungen, welche alle technischen Möglichkeiten und die Zukunft auf ihrer Seite haben. Aber vielleicht kommt ja der Tag, an dem die Fanzineverkäufer wieder mit vollbepackten Armen vor den Stadiontoren stehen und man gegen einen humanen Preis eines dieser magischen DIN-A5-Hefte erwerben kann. Mit einem Laptop gehen heutzutage nämlich nur die wenigsten in die Kurve. Informationen können da nur die Druckerzeugnisse geben.
Schön, dass ihr alle da seid!
vor 5 Tagen
2 Kommentare:
servus carsten!
schönes thema, leider ist das fanzine wirklich eine aussterbende spezie.
beim "heimspiel" war das damals leider so, dass die arbeit am ende fast nur noch an zwei leuten hängen blieb. es war sogar kaum möglich, leute aufzutreiben, die das teil verteilen wollten. irgendwie typisch für die lethargische fcs-fan-gemeinde.
ich hatte mich am ende sogar noch aus nürnberg reingehängt, um regelmäßig ein exemplar auf den markt zu bringen. am ende musste ich aber einsehen, dass es nix mehr bringt, wenn ansonsten bis auf 1,2 weitere leute, niemand den arsch hochbekommt. es meldete sich leider auch kein anderer aus der szene, der mitmachen wollte.
war ein nettes teil, aber irgendwann war es zudem unmöglich, die kohle für die druckkosten zu stemmen.
schade drum, erinnere mich gerne an die zeit zurück. ideen waren genug da, es fehlte nur an leuten, die es umsetzen wollten.
aber ein click ist ja auch schneller gemacht, als ein faltblatt aufzuklappen und zu lesen. in unserer heutigen zeit wird man zudem vom multimedialen overflow leider viel schneller überrannt, als einem lieb sein kann.
schöne neue welt eben.
oder?
blau-schwarze grüße
Servus lemmy,
du sagst es richtig, dass es irgendwie typisch ist für das FCS-Umfeld, dass es viele Ideen gibt, aber nur wenige Leute, die aktiv etwas umsetzen. Wirklich schade, das "Heimspiel" hab ich immer gern gelesen und das hat mich dann auch geprägt, mich für die Fanszene etc. zu interessieren.
Wer weiß, was in 4-5 Jahren aus den jetzigen Online-Fanzines wird!? Podcasts sind ja bereits auf dem Vormarsch.
Aber vermissen tu ich Fanzines trotzdem, vor allem bei uns in SB.
Dir auch Grüße
Carsten
Kommentar veröffentlichen