Chancen zur Wiedergutmachung gibt es im Leben nicht so oft wie die Gelegenheiten, auf einem Schlag wirklich viel zu verspielen. In einigen Fällen erhält man sogar nie mehr die Chance zur Rehabilitation. Es mag sich darüber streiten lassen, ob man das letzte Heimspiel vor der Winterpause als eine dieser Chance nennen kann, wenn der betreffende Verein gerade zweimal in Folge abgestiegen ist. Dennoch hat der FCS im Spiel gegen Neunkirchen eine Riesenmöglichkeit verstreichen lassen, die Wogen vor Weihnachten wieder ein wenig zu glätten.
Der eigentliche Fußballtag fing damit an, dass ich vor dem Spiel im Ludwigspark noch kurz im mindestens genauso altehrwürdigen und deshalb vermoderten FC-Sportfeld die ersten 25 Minuten der Bundesliga-Begegnung 1. FC Saarbrücken gegen den Karlsruher SC verfolgte. Was sich hier schon fast nach der großen Fußballbühne anhört, die der FCS schon so oft vergebens suchte, war dabei nur die Begegnung der B-Jugendmannschaften beider Vereine in der Bundesliga. Dieser Kurzbesuch sollte sich immerhin lohnen, da die Zeit ausreichte, um zwei sehenswerte Treffer des blau-schwarzen Nachwuchses zu begutachten.
Im Ludwigspark hatte man wieder eine gewisse Dimension des Rahmenprogramms erreicht, welche in den Grundzügen an Zweitligazeiten erinnerte. Zwecks einer Aktion, die sich gegen Rassismus richtet, wurde eine Trikotkette über die Laufbahn getragen.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer rein symbolischen Aktion für den Kampf gegen Rassismus wollen wir an dieser Stelle mal ausblenden. Jedenfalls habe ich mich mehr gefragt, wie die Trikots von Marco Gebhardt und Nobutaka Suzuki auf diese Leine gefunden haben. Wurde der Fanshopfundus dafür geplündert?
Vor 3.800 Zuschauern (also einige tausend Zuschauer weniger als im Hinspiel) ließ bereits die Startaufstellung mit einigen Überraschungen auf sich warten. Auf Gästeseite kehrte die heiß diskutierte Personalie Enver Marina, der Neunkirchen wohl zur Winterpause verlassen wird, zurück ins Tor. Beim FCS hieß der Tormann trotz einiger Kritik weiterhin Pascal Formann, jedoch gab es zwei Veränderungen in der Viererkette. Auf der Position des rechten Verteidigers stand mit Lukas Kohler nach Tim Schwartz und Alexander Otto ein weiterer Mann bereit, der sich zu bewähren hatte. Für den gesperrten Mpassy rückte mit Yannik Dekoun ein Verbandsligaspieler nach, welchem einiges an Potenzial zugeschrieben wird.
Der FCS hatte über die gesamte erste Halbzeit Schwierigkeiten, Neunkirchen unter Druck zu setzen. Vor allem Enver Marina strahlte am Ball eine große Ruhe und Konzentration aus, was ihm sogar erlaubte, Mike Frantz kurzzeitig mit einigen Dribblings in die Knie zu zwingen. Sein Gegenüber Pascal Formann wirkte im Gegensatz zu den letzten Wochen auch ein wenig sicherer. In der Offensive tat sich auf Seiten der Hüttenstadt nichts, sodass der FCS eigentlich die Initiative hätte ergreifen können. Stattdessen wirkte man etwas gehemmt, sodass sich auch der talentierte Mike Brückerhoff zuweilen in Alleingängen verlor. Dafür sammelten die Blau-Schwarzen fleißig Eckbälle, welche trotz der Abwesenheit von Charles Haffner nur unwesentlich gefährlicher wirkten. So gab es immerhin etwas Abwechslung zur FCS-Standardvariante "Kurzer Pfosten". Über den ersten Durchgang verteilt gab es einige Großchancen, wobei das sichergeglaubte 1:0 von Manuel Rasp vergeben wurde, welcher freistehend vor Enver Marina den Ball zu nah am Schlussmann platzierte.
Auf den Rängen konnte man mit Borussia Neunkirchen endlich mal wieder einen Kontrahenten begrüßen, dessen Anhängerschaft im Stadion präsent ist. Auf Seiten des D-Blocks war eine optische Steigerung der Zuschauerzahlen unverkennbar, was wohl auch ein Verdienst des sog. "Saarderbys" war. Jedenfalls zeigte sich der D-Block in der ersten Halbzeit nicht von seiner schlechtesten Seite. Im E-Block wirkte man im ersten Durchgang ähnlich der Mannschaft ein wenig gehemmt, doch später mehr dazu.
Nach dem Seitenwechsel gab dann die Gästeführung. Wo beim FCS die Eckballvariante "Kurzer Pfosten mit Verlängerung in die Mitte" versagt, so war sie bei Borussia Neunkirchen erfolgreich, stiftete Verwirrung bei Pascal Formann und erlaubte Michael Müller ungehindertes Einköpfen. Von nun an sah es so aus, als wäre der FCS wieder mehr aktiv. Dass die Abwehr und der Torwart nicht unbedingt das Hauptproblem sind, zeigte sich, indem Yannik Dekoun eine nahezu fehlerfreie Partie ablieferte, Pascal Formann wieder sicherer stand und auch Lukas Kohler die Defensive stabilisierte. Dafür enttäuschten vor allem die Stürmer. Manuel Rasp scheint seit seinem magischen Treffer gegen Pirmasens wie verhext, sodass ihm die einfachsten Tore nicht mehr gelingen wollten. Nazif Hajdarovic spielte auffällig unauffällig und Mike Brückerhoff war als offensiver Mittelfeldpart eher schwach. Der FCS erzeugte zwar nun den nötigen Druck, so wie es in der Schlussphase von Roßbach zwar schon einmal der Fall war, das Glück im Abschluss blieb ihm jedoch verwehrt, was auch die eingewechselten Offensivkräfte Özgün und Karaoglan nicht veränderten. Der FCS kassierte somit seine zweite Heimniederlage in Folge.
Stimmungstechnisch muss man leider zugeben, dass über einige Abschnitte des Spiels der C-Block am deutlichsten und lautesten zu vernehmen war. Nach der Gästeführung brach die Unterstützung aus dem D-Block großflächig ab und der E-Block protestierte via Spruchband gegen diejenigen unter den FCS-Fans, welche bei Niederlagen lieber dem Gegner zujubeln, als der eigenen Mannschaft den Rücken zu stärken. Nebenher wurde noch bis lange nach Spielende ein geradezu euphorisches "Saarbrücken allez!" gesungen, was einerseits auf Ablehnung seitens alteingesessener Zuschauer stieß, andererseits einen trüben Fußballnachmittag doch ein wenig aufhellte. Wenn man schon nicht erfolgreich spielt, sollte das immerhin noch keine Ausrede sein, auf den Rängen zu verstummen.
Fazit: Man hätte sich eigentlich eher den 5:0-Sieg der B-Jugendmannschaft über den KSC ansehen können, als dieser Demontage beizuwohnen, aber was vorbei ist, ist bekanntlich vorbei.
So wird dieser Tag vielen als neuer Tiefpunkt in der Vereinshistorie in Erinnerung bleiben, auch wenn es diesen in den vergangenen Jahren nicht wenige Male zu bestaunen darf. Die Kritik hat nun größten Nährboden erhalten und wird so schnell nicht wieder aus Saarbrücken verschwinden. Die Chance zur Beruhigung der Gemüter ist vertan, da ein Sieg in Bad Kreuznach nun gerade erst recht zur Pflichtsache wird. Dennoch sollte man die Mannschaft dieses eine Mal noch überstützen, da fundierte Kritik und Standortbestiummungen in der Winterpause sinnvoller sind, als dass man jetzt schon ein Bauernopfer fordert, in der vergeblichen Hoffnung, die Wurzel des Misserfolgs aus dem Verein zu entfernen. Vorbei ist jedenfalls nur eines nicht: die Leidenszeit für FCS-Fans.
Schön, dass ihr alle da seid!
vor 4 Tagen
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