Mittwoch, August 19, 2009

Fast vier Jahre

Sollte morgen, wie erwartet, das Urteil gegen vier ehemalige Ordnungskräfte gefällt werden, so wird unter die Ereignisse vom 6. November 2005 damit nach langen Jahren des Wartens ein Schlussstrich gezogen. Damals erlebte der Verein eines der dunkelsten Kapitel, was die Kommunikation zwischen Vereinsoffiziellen und normalen Fans anbelangt.



An jenem Tage saß ich zu Spielbeginn auf der Vortribüne der Gegengerade. Anders als bei den vorherigen Spielen befand ich mich nicht im E-Block, der erst seit kurzem den Beinamen "Virage Est" trug. Das lag einerseits an der Enttäuschung über die sportliche Talfahrt, dem überstürzten Rauswurf von Horst Ehrmantraut, aber speziell an diesem Tage auch daran, dass ich mir das Spiel mit meinen Eltern ansehen wollte. So kam es, dass ich diesmal von den Sitzplätzen mitansehen musste, wie sich ein desolater FCS von abgeklärten Rostockern vorführen ließ.
Ich war schon von Spielbeginn an verwundert darüber, dass man aus dem E-Block weder akustisch noch optisch ein Anzeichen von Leben vernehmen konnte, schob das aber auf einen möglichen Protest, wie er schon beim 1:1-Unentschieden gegen Burghausen zu sehen war. Auch schob ich es auf den allgemeinen Unmut, den die drohende Niederlage gegen die Hansa-Kicker verursachte, als Menschenströme während der ersten Halbzeit den D-Block verließen.
Nach Ende des ersten Durchgangs wollte ich dann doch genauer wissen, was vor sich ging, und verließ den Tribünenplatz, um kurz den E-Block zu besuchen. Als ich ankam, hatten sich schon verschiedenste Fans aus D- und E-Block vor der Saarlandhalle versammelt, die fassungslos über das berichteten, was vor Spielbeginn in der Virage Est passiert war. Ein vereinskritisches Plakat mit den Worte "Gegen das Söldnerpack" sollte auf Geheiß des Vereins entfernt werden, daraufhin gingen Ordner mit äußerster Brutalität auf Fans los, die keinerlei Gewaltbereitschaft gezeigt hatten. Kritische, mündige Fans wurden mit Knüppel und Fäusten von Ordnern attackiert.

Was in der zweiten Halbzeit folgte, sind wohl Szenen, die ich für mein Leben nicht vergessen werde. Fans unterschiedlichster Coleur vereinigten sich zu einer spontanen Demonstration, die zuerst zum F-Block führte. Dort hatte der Ordnungsdienst nun versucht die Situation auf eine ganz eigentümliche Weise zu lösen: man sperrte die Besucher des F-Blocks ein. Dieses seltsam anmutende Bild provozierte bei einigen Zuschauern noch größeren Unmut, da diese nun über den Zaun ins Freie kletterten und sich der spontanen Demonstration anschlossen. Dabei entdeckte ich von Zeit zu Zeit stets zivile Polizeibeamte inmitten des Pulks. Trotzdem schien die Situation fest in der Hand der FCS-Fans, die mit Gesängen und vereinzelten Bengalos von außerhalb des Stadions auf sich aufmerksam machten. Irgendwann, als ich am Zaun des A-Blocks stand, fiel der Anschlusstreffer durch Yilmaz Örtülü, was die Menge, wie auch mich, spürbar kalt ließ.
Im A-Block sollte sich die Spontandemonstration am Ende des Spiels sammeln, um dort trotz des Versuchs der Zensur am Ende das geplante Plakat zum Söldnerpack doch noch zu präsentieren, ein Plakat als Zugabe benutzte dabei noch drastischere Worte. Fast seltsam mutete es am Ende an, dass sich selbst Gästefans aus Rostock mit den Saarbrücker Demonstranten solidarisierten und gemeinsam noch weit nach Abpfiff sangen.

Was folgten waren Fantreffen ohne Vereinsoffizielle, ein recht großes Medienecho für ein Fanthema, Entschuldigungen und Rechtfertigungsversuche der Vereinsspitze, eine weitere Demonstration und letztlich der sportliche Abstieg. Auch aufrüttelnde Plakate und die breite Protestwelle konnten dies nicht verhindern.

Der lange Rattenschwanz, den Rostock nach sich zog, scheint mit dem morgigen Urteil ein Ende zu finden, auch wenn die Folgen andauern. Für zukünftige Generationen von Vereinsoffiziellen kann dies nur ein warnendes Beispiel sein, dass die Meinungsfreiheit ein wichtiges Gut darstellt und man gerade die Kritik der Fanbasis ernst nehmen sollte, auch wenn sie selten bequem sein wird. Worte haben noch immer ihren Weg gefunden, egal wie viele Knüppel man ihnen zwischen die Beine werfen wollte.

Links zum Thema:

- FCS-Prügelordner geständig (SR-online.de)
- DDR-Revival-Party im Park! (ludwigspark.de-Blog)

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