Vier Baukräne ragen derzeit über dem neuen Dachgebilde der Leverkusener BayArena, die wohl symptomatisch für die Baustellen der Mannschaft um Bruno Labbadia und noch symptomatischer für das Erscheinungsbild dieser Metropole stehen, deren Panorama mehrere Fabriken am Rhein bildet, wenn man die Autobahn entlangfährt. Hier sollte mich ein ganz normaler Sonntagnachmittag hinführen.
Die "Kurt-Rieß-Sportanlage" neben der Autobahnbrücke sah dann sehr nach Sportschule aus und wirkte so idyllisch, dass man den vorherigen Anblick gar vergessen glaubte. So friedlich und grün, so sommerlich und ruhig, dass man fast die recht distanziert auftretenden Ordner am Eingang übersah. Etwas verwunderte die Anwesenheit eines recht seriös erscheinenden Ordnungsdienstes schon, allerdings sollte dieser auch noch später in Aktion treten. Nach dem Verzehr einer recht großen, teuren und dennoch geschmacksneutralen Rostwurst ging es auf die Stehtraversen der ansehnlichen Anlage.
Im Saarbrücker Gästeblock, der die natürliche Umgrenzung von grünen Wiesen statt irgendwelcher Zäune besaß, verteilte sich ein gemischtes, blau-schwarzes Publikum, was eine sichtlich lange Fahrt hinter sich hatte. Neben Plakaten wie "Wo ein Winnie ist, ist auch ein Weg!" und Dankesbekundungen an die Spielerinnen, die den Verein verlassen, wurde erstaunlicherweise weder optisch noch akustisch Kritk an der Vereinsführung geäußert, wohl auch um die Mannschaft für 90 Minuten vorbehaltslos zu unterstützen.
Nach diversen Verabschiedungen rollte dann endlich der Ball unter der heißen Mittagssonne. Und das vorzugsweise auf das Tor der Heimmannschaft; Dzenifer Maroszan sorgte gleich zu Beginn mit einem gekonnten Dribbling für die erste Torgelegenheit, in letzter Sekunde nahm ihr Torfrau Lisa Schmitz den Ball vom Fuß. Keine gefühlte Minute später stand es dann aber auch wirklich 1:0 für den 1. FC Saarbrücken, diesmal war es der Bald-Frankfurterin Maroszan vergönnt, den Ball ins Tor zu schieben. In der Folge erspielte sich der FCS Chance um Chance, spielte überlegen und kam nach einer Viertelstunde zur 2:0-Führung. Ausgerechnet (in diesem Falle sei dieser Begriff ausnahmsweise angebracht) Lisa Schwab schlenzte den Ball in das Gehäuse ihres baldigen Arbeitgebers. Zwei Tore von zwei Spielerinnen, die man nicht halten konnte.
In der Folge bot Saarbrücken Leverkusen mehr Raum zum spielen, sodass nach über einer halben Stunde der, zugegebenermaßen kuriose, Anschlusstreffer für die Gastgeberinnen erfolgte: ein Klärungsversuch im Sechzehner wurde mit einer solchen Wucht in das Gesicht von Maren Henseler getreten, dass der Ball ins Tor abprallte und sich die Torschützin im ersten Augenblick nicht wirklich freuen konnte, tat ihr Einsatz doch ziemlich weh.
Kurz vor der Pause sorgte dann erneut Maroszan mit einem wunderbaren Heber für wohlige Erleichterung, keinesfalls Ekstase, im Saarbrücker Fanblock. Schließlich führte Sinderfingen zu diesem Zeitpunkt bereits mit 2:0 gegen Wacker München.
Nach der Pause wurde das Spiel hitziger und zugespitzter, da Leverkusen nun den Druck erhöhte, sich als ebenbürtig erwies und Saarbrücken sich nur schwer aus dieser Umklammerung lösen konnte. Vorstöße wurden oftmals vom Abseitspfiff der Schiedsrichterin beendet, die Konzentration ließ nach und so wurde es in der 60. Minute wieder spannend, aus Saarbrücker Sicht etwas unangenehmer: Maren Henseler traf erneut, diesmal ohne Kopfschmerzen, nach einem Freistoß ins Tor von Romina Holz. Von nun an musste der Vorsprung von einem Tor über die Zeit gerettet werden.
Während die Mannschaften gegeneinander rannten und nicht immer die volle Bandbreite des Spielfeldes ausnutzen konnten, gelang dies sehr wohl zwei Flitzern, die in einer stillen Sekunde den Platz stürmten. Nun wurde mir auf einen Schlag klar, dass man wohl nicht grundlos einen Ordnungsdienst aufgestellt hatte, der allerdings gegen die wendigen Nackedeis, die anscheinend zu Ehren der Leverkusener Spielführerin Vanessa Wurth, die den Verein zu Saisonende verlässt, mit der aufgemalten Rückennummer 7 den Platz betraten. Dieses kurze Intermezzo sorgte für den letzten Stimmungshöhepunkt in einer sehr zerfahrenen zweiten Halbzeit.
Nach Abpfiff war das jedoch egal. Alle Dämme brachen, in Windeseile hatten die Spielerinnen die gleichen Aufstiegshemden übergestreift, wie man sie vor einigen Wochen beim Aufstieg der Herren bewundern konnten (zusätzlich eines Sponsoraufdrucks auf dem Rücken) und fiel sich in die Arme. Eine Mannschaft, wie sie so nie wieder zusammen auf dem Platz stehen wird, feierte ungeachtet der internen Zerwürfnisse der vergangenen Woche ihren Trainer, ihre Fans und vor allem sich selbst. Als Randnotiz sollte man dabei noch erwähnen, dass die Bayer-Spielerinnen plötzlich ebenfalls an den Feierlichkeiten teilnehmen wollten, was nicht wirklich glückte und man wohl davon ausgehen darf, dass nicht viele Trainingsbälle nach Spielhände wieder im ursprünglichen Ballnetz landeten.
Sei's drum, die FCS-Frauen bescheren dem Gesamtverein einen weiteren Aufstieg für die Statistik, den geneigten Auswärtsfahren mögliche Touren nach Potsdam, München oder Hamburg und der Vereinsführung einen Berg an Arbeit für die kommende Saison, will man sich gegen die starke Konkurrenz behaupten.
Nur eine einzige Feier soll der Aufstieg dann doch nicht wert gewesen sein.
Mangelnde Impulskontrolle
vor 7 Stunden
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