Samstag 09.05.2009
Unser Wagen hält etwas abseits des Waldstadions in einer Seitenstraße, augenscheinlich eine relativ wohlhabende Wohngegend. Wenige Meter zuvor haben wir bereits erste Saarbrücker gesehen, von weitem erste Schlachtrufe gehört und auch erste Polizeifahrzeuge brausten an uns vorbei. Am Derby kommt man eben kaum vorbei. Nach einer relativ harmlosen Kontrolle am Eingang stehen wir im Stadion, wo der große Zuschauerstrom noch ausbleibt, aber bereits einige Leute auf den Tross der Zugfahrer warten. Im Gästeblock selbst befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch drei intakte Dixi-Klos, ein Getränkestand, eine Rostwurstbude und ein mobiler Brezelstand, bewacht von einem Jugendlichen. Als dieser kurze Zeit später diesen Stand verlässt, stehen wir etwas verwundert vor verwaisten Brezeln, Laugen- und Käsestand, sowie vor einer roten Geldschatulle, aus der noch verdächtig ein Zehn-Euro-Schein herauslugt. Geradezu unfassbar mutig, sodass wir bei der Rückkehr des Brezelwächters diesen dezent darauf hinweisen, dass die Kasse schon "dreimal weg" sein könnte. Gratisbrezeln zum Dank für das Aufpassen sollten wir nicht erhalten.
Kurze Zeit später hören wir ein paar laute Wortfetzen, Getrampel und sehen Leute an uns vorbeiflitzen. Erst ein paar wenige, dann immer mehr und schließlich begreifen wir, dass die Einlasskontrolle schlicht von der Horde der Zugfahrer überrannt wurde. Eine Masse von Menschen geht in Richtung Homburger Block, dieser liegt hinter einem, augenscheinlich als Puffer gedachten, leeren Kurvenabschnitt. Worte, Böller und Raketen fliegen erstmals durch das Waldstadion, schnell ebbt das Interesse beider Seiten wieder ab. Das Einlasstor ist nun geschlossen, allerdings überrennt auch der nächste Stoß an Saarbrücker Zugfahrern den Ordnungsdienst, der nun leicht frustiert auf Eingangskontrollen verzichtet. Ärgerlich für alle Zuschauer, die sich im Vorverkauf eine Karte gesichert haben.
Kurz vor Spielbeginn reihen wir uns irgendwo in der Mitte der Gästekurve ein. Auf Homburger Seite präsentiert man eine Choreographie mit Motiven aus Astérix-Heften, die einigen von uns mehr als bekannt vorkommen. Schließlich tauchten ähnliche Fotos und Zitate bereits in, nach einigen Verwicklungen, wieder entfernten Folge der Saartiere im A-Blogg. Wir rätseln noch darüber, ob man das jetzt als Kompliment oder schieren Mangel an eigener Kreativität auffassen soll, da vernebelt uns schon heller Rauch die Sicht und Leuchtfackeln werden gezündet.
Ungerührt des Spektakels auf den Rängen, die auch auf Saarbrücker Seite gemischte Gefühle hervorrief, pfeift der Schiedsrichter die Begegnung auf dem Platz an. Und wie aus heiterem Himmel unterläuft dann nach sechs Minuten den designierten Aufsteigern ein Abwehrfehler, Tobias Rott verpasst einen langen Ball, den Michael Berndt mit der Fußspitze im Tor unterbringen kann.
In der Folge spielt der FCS unerschrocken gegen einen frühen Rückstand und wird von seinem Gegner sehr hart rangenommen, was in dieser Phase des Spiels vor allem Manuel Zeitz spürt. 15 Minuten sind gespielt, da setzt sich Nico Weißmann auf rechts durch, flankt auf den bedrängten Sammer Mozain, der trotzdem den Kopf wuchtig hinter den Ball setzt und Thorsten Hodel zu einer ersten Parade zwingt - der FCS ist zurück im Spiel. Ein paar Minuten später geht der FCS-Zug erneut über rechts, der Ball kommt zu Gregory Strohmann, der sich bereits in guter Schussposition befindet, aber den noch besser postierten Sammer Mozain sieht, der nur noch einschieben muss: 1:1, Ekstase und bengalische Fackeln im Gästeblock!
In der Folge verflacht das Spiel, die beiden tongebenden Mannschaften der Oberliga Südwest neutralisieren ihre Kräfte gegenseitig, sodass vereinzelte Chancen ungenutzt bleiben und die hohen Bälle des FCS ihr Ziel nicht finden. Die Langeweile scheint auch im Block zu grassieren, denn dort sehen ihr etwas oberhalb von uns den Sonnenschirm des Brezelstandes. Dieser hat seinen Ursprungsort verlassen und wandert munter hin und her, was uns darauf schließen lässt, dass mittlerweile nicht nur alle Teigwaren auf der Tartanbahn gelandet sind. Nach einigen Minuten steigt schwarzer Rauch auf, der Schirm brennt. Was wohl der junge Brezelverkäufer seinem Vorgesetzten sagen wird?
Was wohl Dieter Ferner seiner Mannschaft nach dem Spiel sagen wird, scheint indes klar, denn nach dem Seitenwechsel lässt der FCS vieles vermissen. Den Kampf, die Leidenschaft, den Spielwitz. Teilweise auch der harten Spielweise geschuldet, die überwiegend auf Gästeseite geahndet und bestraft wird, entfaltet der 1. FC Saarbrücken, abgesehen von einer guten Gelegenheit für Nico Weißmann, keinerlei Gefahr. Das lässt der FCH leider nicht ungenutzt und kommt, so ärgerlich es auch ist, nach einem schlampigen Klärungsversuch von Marcel Rozgonyi zur Flanke und zum Kopfballtor: 2:1 für die Hausherren und das auch verdient.
Ohne aufstemmen, ohne aufbäumen bleibt es bei diesem Ergebnis, was im Fanblock wieder den Fokus auf die abenteuerlichsten Dinge legt, die über den Zaun in den Innenraum fliegen: die Abdeckung einer Regenrinne, diverse Plastikflaschen und zur Krönung ein leeres Bierfass, was neben einer Polizeikette auch den Homburger Vorsitzenden Eder vor den Block bringt. Erregt ob des Verhaltens des Gästeanhangs fuchtelt der betagte Mann im Anzug wild herum. Das hätte man sich mit einer größeren Masse an Ordnern wohl erspart, was noch lange nicht gutheißen soll, geworfene Bierfässer von nun an ins Standardrepertoire der Anfeuerungen in Saarbrücken zu übernehmen, so befremdlich, belustigend und schockierend sogleich es wirkt.
Zwei "Humbas", erst auf Heim-, dann auf Gästeseite, beenden den Tag in Homburg, der zwar noch einige Tage als Gesprächsstoff herhalten wird. Zumindest wird es wieder die Diskussionen um Sicherheit anheizen und auch noch einige Geldstrafen nach sich ziehen. Zwischen vielen FCS-Fans und Polizisten auf dem Weg zum Auto, beschleicht mich allerdings das Gefühl, dass zumindest die sportliche Seite des Spiels zumindest aus unserer Sicht dafür sorgen wird, dass man dieses womöglich letzte Spiel auf Dauer eher aus dem Gedächtnis streichen wird und als eines von vielen Gastspielen in Homburg betrachten wird, das so abgelaufen ist, wie man es in etwa zuvor erwarten konnte. Mehr war es dann auch nicht.
Mangelnde Impulskontrolle
vor 9 Stunden
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